Nachdem Abellio erst im Juni angekündigt hat, sich strukturell zu verändern, und gleichzeitig einen Schutzschirmverfahren beantragt hatte, sieht die Zukunft von Abellio in Nordrhein-Westfalen aktuell nicht gut aus. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) bereitet sich auf das schlimmste vor.
Seit heute streikt die Gewerkschaft GDL zum wiederholten Male in kurze Zeit bei der Deutschen Bahn. Das dies auch Auswirkungen auf den privaten Nahverkehr haben wird, ist nichts neues. Doch heute wurde ebenfalls bekannt, dass der Bahnbetreiber Abellio Deutschland weiter in der Krise rutscht.
Nach eigenen Recherchen von Nahverkehr NRW war diese Krise eigentlich auf dem Weg der Besserung. Denn noch heute Abend war auf der offiziellen Webseite des Bahnbetreibers zwei offene Stellen ausgeschrieben, die für NRW besetzt werden sollen. Unter anderem sind das Zugbegleiter*innen und für Duisburg sucht man ein*e Leitstellendisponent*in.
Während man in einem Schutzschirmverfahren ist, ist es sehr unüblich, dass Stellen offen ausgeschrieben werden. Dies geschieht eigentlich nur dann, wenn entsprechende Verfahren kurz vor dem Abschluss stehen.
Seit vielen Monaten verhandelt das Bahnunternehmen nun mit den Verkehrsverbünden und Auftraggebern, mehr Geld zur Verfügung gestellt zu bekommen. Am vergangenen Donnerstag (19.08.2021) drängte der NRW-Verkehrsminister auf eine schnelle Lösung im Fall Abellio. Auf der Presseveranstaltung zur Verkündung des Haushaltsentwurfs für das kommende Jahr sagte Hendrik Wüst (CDU): “Wir müssen Zeitnah eine Lösung finden.”
VRR-Vorstandssprecher Ronald R.F. Lünser erklärte dabei auch, dass die Gespräche mit Abellio laufen, aber “sehr komplex” gestalten. Ziel sei es jedoch vom Verkehrsverbund, der Firma soweit zu Unterstützen, wie es möglich ist, um Abellio zu behalten. Auf die Frage, was passieren würde, wenn Abellio oder ein anderes Unternehmen plötzlich das Handtuch werfen würde, bestätigt er, dass man auf “darauf vorbereitet” sei, den Betrieb dennoch weiterführen zu können, ohne große Auswirkungen für die Fahrgäste in Kauf nehmen zu müssen.
Der am 30. Juni stattgegegeben Schutzschirmverfahrensantrag am Berliner Amtsgericht in Charlottenburg wurde Rainer Eckert als Sachverständiger bestellt. Er bestätigt, das Abellio das Schutzschirmverfahren nun in Eigenregie führen wird. Ebenfalls gibt er gute Aussichten für die niederländische Tochterfirma für Mitteldeutschland, für Baden-Württemberg und für Niedersachsen, wo Abellio ebenfalls Linien im Nahverkehr bedient. Dort sollen die Aussichten auf Einigkeit mit den Auftraggebern gut stehen. Doch für NRW sieht es anders aus. “Der Betrieb ab dem 1. Oktober kann nur gesichert werden, wenn es eine Einigung darüber gibt, wie der Betrieb wirtschaftlich gestaltet werden kann” sagte Eckert.
Der Sachverständiger kritisiert jedoch auch die Haltung der Verkehrsverbünde und dem Verkehrsministerium. “Es ist sehr unbefriedigend, dass die Gespräche über höhere Zuschüsse für den Betrieb wichtiger Strecken sich nun schon seit rund einem Jahr hinziehen.” Er sagt ebenso, dass die andauernd steigenden Kosten in der gesamten Branche einen wesentlichen Teil zu der Krise beitragen würde. Wie auch beim Mittbewerber Eurobahn (Keolis) bemängelt er die Strafzahlungen, für die das Unternehmen nichts kann. So müssen z.B. Gebühren bezahlt werden, wenn ein Zug aufgrund von Bauarbeiten verspätet ist.
Neben den Fahrgästen braucht auch das Unternehmen Klarheit, um gute Leute zu halten und um Verträge für die Zukunft abschließen zu können. Aktuell erhalten die Mitarbeiter als Lohn das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit. Dies ist um einiges weniger, als wenn die Zahlung über den Arbeitgeber laufen würde. Auch die Mitarbeiter wollen daher wissen, wie es nach September weitergeht.
Es hake besonders bei den Verkehrsverträgen für den wichtigen Rhein-Ruhr-Express (RRX) zwischen Aachen, Köln, Düsseldorf und Hamm sowie der S-Bahn Rhein-Ruhr. “Ich glaube, es gibt ein hohes Interesse daran, dass nicht nur DB Regio in NRW solche wichtigen Strecken betreibt”, sagt Eckert. Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass es am Ende nicht billiger sein würde, falls Abellio aufgeben müsse: “Soweit die Strecken an andere Unternehmen übergeben würden, müssten auch die Neubetreiber auf kostendeckende Verträge bestehen.” Das würde also für die Steeuerzahler eine doppelte Belastung bedeuten.
Wie es nun genau mit Abellio nach dem September weitergehen wird, ist bisher nicht weiter bekannt. Doch wir wollen hoffen, dass alle Beteiligten Mitarbeiter frühzeitig und ehrlich über die Entscheidung informiert werden. Ein Ausscheiden eines Unternehmens könnte gleichzeitig auch ein Weckruf an die Auftraggeber sein, um über mögliche Vergaberichtlinien nachzudenken. Ebenso wird in teilen der Nahverkehrsbranche über eine Veränderung in NRW nachgedacht. Darunter sollen z.B. die vier Verkehrsverbünde gebündelt in einem einzigen Verkehrsverbund für ganz NRW im Gespräch sein mit jeweiligen Ablegern in den entsprechenden Regionen. Doch bis das umgesetzt wird, wird es nicht nur ein steiniger, sondern vor allem langer weg.