In Bonn könnte es bald zu einer bedeutenden Änderung im Umgang mit Schwarzfahrern kommen. Nach einer Entscheidung des Mobilitätsausschusses sollen Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein künftig nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Während weiterhin ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro erhoben wird, könnte die Androhung einer Strafanzeige bald der Vergangenheit angehören. Was steckt hinter diesem Vorstoß, und welche Konsequenzen könnte er haben?
Der Hintergrund: Schwarzfahren als Straftat
Schwarzfahren, offiziell „Erschleichen von Leistungen“ genannt, wird derzeit als Straftat gemäß § 265a des Strafgesetzbuches (StGB) geahndet. Wer ohne gültiges Ticket in Bus oder Bahn erwischt wird, muss damit rechnen, nicht nur eine Geldstrafe zu zahlen, sondern auch eine Strafanzeige zu erhalten. Dies gilt besonders für Wiederholungstäter. Gegner dieser Praxis argumentieren, dass das Verfahren unverhältnismäßig sei und insbesondere Menschen in schwierigen finanziellen Lagen hart treffe.
Madalena Sattler vom Bonner Verein Stadtstreifen brachte im vergangenen Jahr das Thema in die öffentliche Debatte. Ihrer Ansicht nach führe die strafrechtliche Verfolgung zu einer unnötigen Stigmatisierung, ähnlich wie bei anderen Bagatelldelikten: „Ein Parkverstoß wird als Ordnungswidrigkeit behandelt, aber das Fahren ohne Fahrschein als Straftat. Das ist für Betroffene oft eine zusätzliche Belastung.“
Köln und Düsseldorf als Vorbilder
Bonn ist nicht die erste Stadt, die über diese Veränderung nachdenkt. In Köln und Düsseldorf wurden bereits ähnliche Regelungen eingeführt. In Köln entschied der Stadtrat vor einem Jahr, auf Strafanzeigen für Schwarzfahrer zu verzichten. In Düsseldorf gilt die Regelung sogar schon seit eineinhalb Jahren. Beide Städte begründen diesen Schritt mit dem Ziel, unnötige Bürokratie abzubauen und die Justiz zu entlasten.
Die Erfahrungen aus diesen Städten zeigen, dass der Verzicht auf Strafanzeigen nicht zwangsläufig zu einem sprunghaften Anstieg von Schwarzfahrten führt. Doch Kritiker warnen davor, dass solche Maßnahmen ein falsches Signal senden könnten.
Kritik von Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbund
Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) sieht die geplante Änderung skeptisch. In einer Stellungnahme für den Mobilitätsausschuss argumentiert der VRS, dass die Strafverfolgung eine wichtige Abschreckungsfunktion habe. “Schwarzfahren ist vergleichbar mit Diebstahl im Einzelhandel”, heißt es in der Stellungnahme.
Die Befürchtung: Wenn Schwarzfahren nicht mehr als Straftat verfolgt wird, könnten mehr Menschen ohne Fahrschein unterwegs sein. Dies würde zu Einnahmeverlusten im öffentlichen Nahverkehr führen, was letztlich höhere Ticketpreise oder höhere Ausgleichszahlungen durch die Kommunen erforderlich machen könnte.
Die Bonner Stadtwerke (SWB) haben zwischen 2017 und 2024 rund 9.000 Strafanzeigen gegen Schwarzfahrer gestellt – im Schnitt 1.300 pro Jahr. Doch diese Anzeigen bedeuten nicht nur Aufwand für die Justiz, sondern auch erhebliche Kosten. Laut einer Schätzung der Universität Köln verursacht die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe – also die Haft für Personen, die das Bußgeld nicht zahlen können – dem Staat jährlich rund 200 Millionen Euro.
Diese Zahl wirft Fragen auf: Ist es sinnvoll, dass Menschen wegen eines Bußgeldes von 60 Euro letztlich ins Gefängnis müssen? Die Kritiker dieses Systems sehen hierin eine unverhältnismäßige Härte, die vor allem ärmere Bevölkerungsschichten trifft.
Köln und Düsseldorf als Vorbilder
Bonn ist nicht die erste Stadt, die über diese Veränderung nachdenkt. In Köln und Düsseldorf wurden bereits ähnliche Regelungen eingeführt. In Köln entschied der Stadtrat vor einem Jahr, auf Strafanzeigen für Schwarzfahrer zu verzichten. In Düsseldorf gilt die Regelung sogar schon seit eineinhalb Jahren. Beide Städte begründen diesen Schritt mit dem Ziel, unnötige Bürokratie abzubauen und die Justiz zu entlasten.
Die Erfahrungen aus diesen Städten zeigen, dass der Verzicht auf Strafanzeigen nicht zwangsläufig zu einem sprunghaften Anstieg von Schwarzfahrten führt. Doch Kritiker warnen davor, dass solche Maßnahmen ein falsches Signal senden könnten.
Soziale Perspektive: Ein Problem der Gerechtigkeit
Der Verein Stadtstreifen betont, dass die Strafverfolgung von Schwarzfahren häufig diejenigen trifft, die ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Menschen ohne festen Wohnsitz oder mit sehr geringem Einkommen können sich oft kein Ticket leisten – und auch die Geldstrafe bleibt für sie unerschwinglich.
Für diese Personengruppe bedeutet der Schritt in die Strafbarkeit oft den Beginn eines Teufelskreises: Wer die Geldstrafe nicht zahlen kann, wird zu gemeinnütziger Arbeit oder Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt. Dies verschärft nicht nur die soziale Ausgrenzung, sondern bindet auch Ressourcen in der Strafjustiz und in Haftanstalten.
Die politische Entscheidung steht noch aus
Ob der Beschluss des Mobilitätsausschusses tatsächlich umgesetzt wird, entscheidet letztlich der Stadtrat. Die Debatte zeigt jedoch, wie vielschichtig die Thematik ist. Gegner warnen vor finanziellen Schäden und mangelnder Abschreckung, während Befürworter auf soziale Gerechtigkeit und Entlastung der Justiz setzen.
Bonn könnte mit einer Änderung in der Verfolgung von Schwarzfahren ein weiteres Signal für eine sozialere Ausrichtung im Nahverkehr setzen. Doch klar ist: Um langfristig für Entlastung zu sorgen, wären günstigere Ticketpreise und Sozialtarife entscheidend – ein Punkt, den auch der VRS unterstützt.
Fazit: Aufbruch oder Rückschritt?
Die Diskussion über Schwarzfahren ist nicht nur eine Frage des Strafrechts, sondern auch eine gesellschaftliche Debatte über Gerechtigkeit und die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Während Städte wie Köln und Düsseldorf vorangehen, bleibt abzuwarten, ob Bonn diesen Weg ebenfalls einschlägt – oder ob die Bedenken überwiegen.
Auch der Radiosender WDR 2 hat darüber berichtet.