Der Schienennahverkehr in Nordrhein-Westfalen steht vor einer ernsthaften Herausforderung: Es fehlt an ausgebildeten Lokführerinnen und Lokführern. Aktuelle Zahlen verdeutlichen das Problem.
Steigende Lücken im Personalbestand
Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in NRW benötigt dringend rund 3.100 sogenannte Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer, während derzeit nur 2.800 dieser Fachkräfte beschäftigt sind (Stand: 1. Juni 2024). Diese Zahlen gehen aus einem Bericht der Landesregierung hervor, der auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag antwortet. Die Entwicklung zeigt eine deutliche Verschärfung: Während 2022 noch 2.900 Lokführer im Einsatz waren, sank die Zahl innerhalb eines Jahres um 100 Stellen.
Zusätzliche Belastungen durch Zeitarbeit und technische Störungen
Um den akuten Personalengpass abzufedern, setzen viele Verkehrsunternehmen auf Zeitarbeitskräfte. Diese Strategie konnte zuletzt 200 der fehlenden 300 Stellen ausgleichen. Doch auch diese Maßnahme hat ihre Grenzen: Laut dem „Qualitätsbericht 2023 für den Schienenpersonennahverkehr NRW“ haben Zugausfälle aufgrund von Personalmangel in den vergangenen Jahren zugenommen. Neben den Personalproblemen kommen technische Defizite wie defekte Weichen, Stellwerke oder beschädigte Brücken hinzu, die den Betrieb zusätzlich beeinträchtigen.
06. Juni 2024
Qualitätsbericht 2023: Zahl der Zugausfälle steigt auf Rekordhoch
Der Qualitätsbericht 2023 für den Schienenpersonennahverkehr NRW zeigt, dass die Zuverlässigkeit der Regionalzüge und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Rund jeder siebte Zug fiel aus, und die Pünktlichkeit blieb ein erhebliches Problem: Etwa 22 Prozent der Züge kamen deutlich verspätet an.
Initiative „Fokus Bahn NRW“: Gemeinsame Ausbildung als Lösungsansatz
Um die Situation zu verbessern, startete das Verkehrsministerium NRW unter der Leitung von Minister Oliver Krischer bereits 2019 das Programm „Fokus Bahn NRW“. Ziel ist es, die Bahnunternehmen bei der Ausbildung neuer Lokführerinnen und Lokführer zu unterstützen und den Wettbewerb um Fachkräfte durch Kooperation zu entschärfen. Bis heute konnten im Rahmen dieses Programms 490 zusätzliche Fachkräfte ausgebildet werden.
Für das kommende Jahr sind weitere Investitionen geplant: „Wir haben bereits rund sechs Millionen Euro investiert und streben für 2025 die Ausbildung von 700 zusätzlichen Triebfahrzeugführenden an“, so Krischer. Neu ist auch ein Pilotprojekt, das erstmals Teilzeitkurse für Quereinsteiger anbietet. Diese sollen es Berufsumsteigern erleichtern, sich für eine Laufbahn im Schienennahverkehr zu qualifizieren.
Kritik und Forderungen der Opposition
Die FDP zeigt sich dennoch unzufrieden. Christof Rasche, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bezeichnet die Abhängigkeit von Zeitarbeitskräften als besorgniserregend: “NRW braucht dauerhaft festangestellte und gut ausgebildete Lokführer, keine kurzfristigen Lösungen.” Zudem bemängelt Rasche den fehlenden Überblick über die zukünftige Personalentwicklung. Die Landesregierung konnte keine Angaben dazu machen, wie viele Lokführerinnen und Lokführer bis 2030 in den Ruhestand treten werden. Rasche sieht darin ein „Armutszeugnis“ und fordert eine umfassendere Personalplanung.
Bessere Datenerfassung in Aussicht
Ein Hoffnungsschimmer könnte das geplante erweiterte Personalcontrolling sein. Die Landesregierung und die Bahnunternehmen wollen gemeinsam eine detailliertere Erfassung der Personalsituation entwickeln. Ziel ist es, frühzeitig auf Engpässe zu reagieren und die Personalplanung effizienter zu gestalten.
Fazit: Herausforderungen erfordern langfristige Strategien
Der Lokführermangel in NRW stellt eine ernsthafte Gefahr für den Nahverkehr dar. Während kurzfristige Lösungen wie Zeitarbeit den Betrieb am Laufen halten, sind langfristige Maßnahmen zur Ausbildung und Festanstellung unverzichtbar. Die Landesregierung und die Bahnunternehmen stehen vor der Aufgabe, die Attraktivität des Berufs zu steigern und gleichzeitig ein stabiles Personalmanagement aufzubauen.