Anstatt auch künftig auf Abellio zu setzen, will der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Reißleine ziehen und neue Wege einschlagen. Eine entsprechende Beschlussempfehlung hat der Vorstand des Verkehrsverbundes gestern an seinen Verwaltungsrat verschickt. Der VRR will sich daher Ende Januar von Abellio trennen. Diese Empfehlung spricht der VRR nun auch am kommenden Montag in den politischen Gremien aus. Die einberufene Sondersitzung entscheidet dann möglicherweise über das Aus für den zweitgrößten Nahverkehrsanbieter im Land NRW.
National-Express, DB Regio und Co. übernehmen
Wenn das politische Gremium, welches zugleich die Entscheidungsträger sind, am Montag dem Vorschlag des VRR folgen, müssten zum 1. Februar 2022 zahlreiche Bahnlinien an andere Betreiber übergeben werden. In den letzten Tagen haben sich zwei Anbieter die bereits im Nahverkehr in NRW tätig sind, ihre Unterstützung bekundet. Darunter ist National Express – die betreiben neben Abellio die RRX-Linien RE 5 und RE 6 sowie die Linien RE 7, RE 4 und die RB 48. National Express kennt die Fahrzeuge und wäre ein möglicher Kandidat, zumindest die RRX-Linien RE 1 und RE 11 zu übernehmen. Der weitere Kandidat könnte hier die DB Regio NRW sein. Zuletzt haben diese auch die Notvergabe für die S-Bahn übernommen, nachdem der Vertrag zur Eurobahn kurzfristig aufgelöst wurde.
Informationen zur Folge die uns vorliegen, hat der VRR bereits für alle Linien von Abellio Ersatz gefunden. Jedoch verlangen diese mehr Geld, damit eben nicht das gleiche mit dem nächsten Bahnbetreiber passiert. National Express wird – wie bereits lange vermutet – die Linien des RRX (RE 1 / RE 11) von Abellio übernehmen. Die DB Regio NRW wird nach einer längeren Pause die S-Bahn-Linien vollständig übernehmen. Überraschend war dann die Meldung, dass Vias, die bislang von Mönchengladbach nach Dalheim (RB 34) sowie von Düsseldorf über Neuss nach Grevenbroich bzw. Bedburg/Erft (RB 39) fahren, die Strecke der S 7 übernehmen werden. Die Ruhrtahlbahn hat ebenfalls Interesse bekundet.
Notvergabe bedeutet hohe Kosten für Steuerzahler
Der Verkehrsverbund ist alles daran gelegen, für die Fahrgäste einen Betreiberwechsel so unauffällig wie möglich zu gestalten. Für die Fahrgäste ist jedoch die Frage, wie gut der Umstieg gelingt, denn es hängt unter anderem auch davon ab, ob die rund 1.000 Beschäftigten von Abellio zum neuen Arbeitgeber wechseln möchten. Gestern hatten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Abellio mit einem flammenden Appell an den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und die Verkehrsministerin noch einmal dafür geworben, Abellio im Spiel zu lassen.
Den Steuerzahler und Pendlern könnte der Schritt einer Neuvergabe bzw. vorläufiger Notvergabe viel Geld kosten, weil die in den Notvergaben ausgehandelten Neuverträge deutlich mehr kosten werden als bisher.
Spätes und schlechtes Angebot von Abellio
Doch auch das letzte Angebot, das gerade noch fristgerecht am vergangenen Freitag zwei Stunden vor Mitternacht in der VRR-Zentrale in Gelsenkirchen eintrudelte, erfüllte nicht die Forderungen des VRR nach substanziellem Ausgleich für den vorzeitigen Ausstieg aus den geltenden Verkehrsverträgen beim Rhein-Ruhr-Express (RRX) und bei der S-Bahn Rhein-Ruhr. Doch dass das Angebot erst vier Stunden nach der Presserklärung beim Verkehrsverbund und daraus dann auch kurz vor Fristende erst eintrudelte, macht den möglichen Verhandlungsspielraum zu.
Abellio wollte die Verträge bei den Linien, bei denen sie keinen Verlust einfahren, weiterführen und erfüllen. Diese Verträge laufen zwar bis 2033 bzw. 2034 – jedoch hätte man dann ab Dezember 2023 eine reguläre Neuausschreibung vornehmen können. Der VRR hinterfragt auch, ob die EU-Kommission einen solches Angebot überhaupt zulässt. “Rosinenpickerei” wäre hier von den Angeboten und den EU-Vorgaben nicht erlaubt. Eine Notvergabe hingehend ist jedoch rechtssicher.
Qual der Wahl des Arbeitgebers - Pendler nicht außer Acht lassen
Egal welches Bahnunternehmen im Februar die Linien übernimmt, kann es ruckeln und zu möglichen Zugausfällen kommen. Zwar gehören die Züge bei den S-Bahnen und dem RRX und bei einigen Regionalzügen dem VRR oder einem Leasinggeber. Die Betriebshöfe von Abellio in Hagen, Duisburg und Remscheid sind zudem ebenfalls durch den VRR gesichert.
Anders sieht es beim Personal aus. Triebfahrzeugführer/innen haben das “Luxus” sich zwar frei ihren Arbeitgeber auszuwählen, da der Arbeitsmarkt dieses hergibt. Doch bei Personalen in Büro und Verwaltung sieht dies anders aus. Meist sind die Zentralen und das Büro bereits voll besetzt. Beim Zugpersonal könnte man diese jedoch wieder übernehmen, sofern die Mitarbeiter/innen dieses möchten. Denn mehr Linien im eigenen betrieb heißt auch mehr Prüfpersonal. Kritisch sehen Bahnexperten zudem der Zeitpunkt des Bahnbetreiberwechsels: im Regelfall findet der Fahrplanwechsel am zweiten Dezember-Wochenende statt. Nun ist der 1. Februar ein Dienstag, sprich ein Tag an dem viele Pendler und Pendlerinnen unterwegs sein werden. Eine Schulung beim Betreiberwechsel ist ebenso nötig, da jeder Betrieb seine eigenen Regeln hat.
Wir hoffen, dass der Verkehrsverbund am Montag nicht nur über den Vorschlag des Aus von Abellio entscheidet, sondern auch alsbald dann die Lösung präsentiert. Pendler und Pendlerinnen sollen nicht unter den Maßnahmen und der Missplanung bzw. Misswirtschaften leiden.
Die Pressemitteilung vom VRR, NWL und NVR hier als PDF lesen.