In der modernen Werkhalle in Duisburg, in der ein großes Abellio-Plakat von der damaligen Einweihung im Jahr 2017 zu sehen ist, wurde jüngst ein bedeutender Vertrag unterzeichnet. Der Bahnbetreiber VIAS übernimmt in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) für die kommenden Jahre die Verantwortung für zwei wichtige Zugverbindungen: den RE19 (Düsseldorf-Duisburg-Wesel-Arnheim/Bocholt) sowie den RB35 (Krefeld-Oberhausen-Gelsenkirchen). Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die in den letzten Jahren von einer Reihe unerwarteter Wendungen geprägt war.
Der schwierige Neubeginn nach Abellio
Die Übernahme des Bahnbetriebs im Januar 2022 war keine einfache Aufgabe. Nach einer unerwartet schnellen Übergabe hatte der kleine Bahnbetreiber Vias gerade einmal sechs Wochen Vorbereitungszeit, um den Betrieb zu übernehmen. Inzwischen scheint sich die Situation stabilisiert zu haben, wenn auch der Start mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert war. Dies war in gewisser Weise abzusehen, da der vorherige Betreiber, Abellio, in eine finanzielle Krise geraten war und letztlich Insolvenz anmelden musste. Auch wenn dieser Schritt von vielen als unvermeidlich angesehen wurde, bleibt die Frage, ob die Ereignisse anders hätten verlaufen können.

16. Dezember 2021
Abellio-Notvergabe: VIAS, National Express und DB Regio übernehmen
Die Gremien der Aufgabenträger des nordrhein-westfälischen Schienenpersonennahverkehrs, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und Nahverkehr Rheinland (NVR), haben über die Direktvergabe der bisher von der Abellio Rail GmbH betriebenen Linien an die DB Regio, National Express und Vias Rail entschieden. Nun steht fest, welche Linien an welchen Betreiber übergehen.
Ein Blick auf die Insolvenz von Abellio
Die Insolvenz von Abellio hinterließ eine Reihe ungelöster Fragen, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Verträge des Unternehmens und der damit verbundenen finanziellen Belastungen. Vor der Insolvenz hatte Abellio Verträge mit Aufgabenträgern wie dem VRR und NWL abgeschlossen, die jedoch immer wieder zu Problemen führten. Die Ursachen für die Insolvenz sind vielschichtig: Einerseits waren die ursprünglichen Vertragskonditionen und die damit verbundenen Risiken für das Unternehmen schwer tragbar. Andererseits trugen die steigenden Betriebskosten, wie etwa durch höhere Gehaltsforderungen von Gewerkschaften, sowie die ständig ansteigenden Investitionen in Infrastruktur und Bauprojekte dazu bei, dass Abellio zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geriet.
Der Insolvenzverwalter von Abellio forderte zunächst 642 Millionen Euro Schadenersatz von den Aufgabenträgern. Es kam jedoch zu einem Vergleich, dessen Details unter einer Vertraulichkeitsvereinbarung verborgen bleiben. Insider berichten, dass die Forderungen zwischen den Parteien mitunter sogar die Milliardenmarke überschritten. Dennoch wurde eine Einigung erzielt, die zu einem neuen Vertrag führte, der die weitere Organisation des Bahnbetriebs regelt.
Kostenexplosion durch die Insolvenz
Die Auswirkungen der Abellio-Insolvenz auf die öffentlichen Haushalte waren jedoch enorm. Die Notwendigkeit einer kurzfristigen Umstrukturierung des Betriebs sowie die damit verbundenen Notvergaben ließen die Kosten in die Höhe schießen. Das Land Nordrhein-Westfalen und andere öffentliche Stellen mussten insgesamt über 527 Millionen Euro aufwenden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und die Infrastruktur zu sichern. Dies beinhaltete unter anderem die Kosten für Anwälte, Liquiditätslücken sowie die notwendigen Ersatzverkehrsmaßnahmen.
Ein wesentlicher Bestandteil dieser zusätzlichen Kosten war die langfristige Neuvergabe der Linien, die ursprünglich von Abellio betrieben wurden. Die neuen Verträge für den RE19 und den RB35 waren deutlich teurer als ursprünglich geplant. Allein die Kosten für die Vergabe neuer langfristiger Verträge überstiegen 300 Millionen Euro. Auch die Werkstätten, die einst Abellio gehörten und nun dem VRR übergeben wurden, mussten teuer saniert werden. In diesem Zusammenhang legte der VRR insgesamt 23 Millionen Euro für den Erwerb und die Instandsetzung von Werkstätten in Duisburg und Hagen auf den Tisch.
Die Frage nach den politischen Entscheidungen
Die massive Kostenexplosion nach der Abellio-Pleite wirft Fragen über die damaligen politischen Entscheidungen auf. Kritiker, wie der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Gordan Dudas, hinterfragen, ob die Insolvenz von Abellio wirklich unvermeidlich war und ob nicht durch frühere Anpassungen der Verträge viel Geld hätte eingespart werden können. In anderen Bundesländern, wie etwa in Sachsen-Anhalt, wurden ähnliche Vertragsprobleme erfolgreich gelöst, ohne dass es zu einer Insolvenz kam. In Nordrhein-Westfalen hingegen entschied man sich damals gegen eine Vertragsnachverhandlung, was zu den hohen Zusatzkosten führte.
Dudas äußerte auch die Besorgnis, dass der Wettbewerb in der Region zwar formal funktioniert, aber zu Lasten der Steuerzahler geht, die die finanziellen Folgen der Insolvenz und der darauf folgenden Neuausschreibungen tragen müssen. Die Frage bleibt offen, ob die Entscheidung, den Vertrag mit Abellio nicht nachzuverhandeln, letztlich richtig war.

25. Dezember 2024
Eurobahn vor großen Herausforderungen – NWL plant Rettung
Die Eurobahn, ein bedeutendes Eisenbahnverkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen, steht vor erheblichen Herausforderungen. Personalmangel und finanzielle Schwierigkeiten gefährden den Betrieb auf wichtigen Strecken. Um eine drohende Insolvenz abzuwenden und den Nahverkehr in der Region zu sichern, plant der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) eine zeitlich begrenzte Übernahme der Eurobahn.
Alternative Lösungsansätze: Die Zukunft des Nahverkehrs
Die Probleme im Nahverkehr von NRW sind jedoch nicht auf Abellio und seine Insolvenz beschränkt. In den letzten Jahren haben auch andere Unternehmen wie Eurobahn mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen gehabt. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten und die finanziellen Verluste abzufedern, hat der NWL inzwischen die Eurobahn vergesellschaftet, was bedeutet, dass die Kommunen in Westfalen vorerst für die Verluste des Unternehmens aufkommen werden. Diese Lösung soll jedoch nur eine Übergangsregelung sein, bis das Unternehmen wieder auf die Beine kommt und ein neuer Eigentümer gefunden werden kann.
Der VRR hat zudem Vorkehrungen getroffen, um im Falle einer weiteren Insolvenz einen stabileren Betrieb gewährleisten zu können. So wurde ein Großteil der Regiobahn Betriebsgesellschaft übernommen, um die Kontrolle über den Bahnbetrieb zu behalten und gegebenenfalls selbst Züge zu betreiben, falls ein privater Betreiber ausfällt.
Fazit: Ein komplexes Erbe der Verkehrspolitik
Die aktuelle Situation im Nahverkehr von Nordrhein-Westfalen zeigt, wie komplex die Herausforderungen im öffentlichen Transportwesen sind. Die Insolvenz von Abellio hat auf dramatische Weise offenbart, wie fragil das System sein kann, wenn die Vertragsbedingungen und die wirtschaftliche Planung nicht optimal auf die realen Anforderungen abgestimmt sind. Die hohe Zahl an nachträglichen Kosten und die politischen Auseinandersetzungen rund um die Verträge werfen einen Schatten auf die ansonsten positive Entwicklung der Verkehrsverträge, wie sie nun mit Vias unterzeichnet wurden. Die Frage bleibt: Wie lässt sich künftig vermeiden, dass der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen erneut in eine solche Krise gerät?