Am vergangenen Montag hat das VRR-Gremium zu dem Vorschlag, die Verträge mit dem insolventen Unternehmen Abellio vorzeitig aufzugeben, getagt. Die Entscheidung ist gefallen: die Linien von Abellio werden zum Februar 2022 in einer Notvergabe neu ausgeschrieben. Somit hat auch Abellio erneut die Chance sich auf ausgewählten Linien neu zu bewerben und so neue Konditionen in Anspruch zu nehmen.
Abellio ist zweitgrößter SPNV-Anbieter in NRW
Abellio ist kein kleiner Fisch für die Aufgabenträger in NRW. Immerhin betreibt das Unternehmen die zweitmeisten Linien in NRW. Nach der Deutschen Bahn. Das finanziell angeschlagene Unternehmen, jedoch steht jetzt kurz vor der Insolvenz. Erst vergangene Woche hatte der VRR deshalb zu einer Trennung von Abellio geraten. Die Entscheidung wurde am gestrigen Montag nun vom Gremium zugestimmt.
Notvergabe: Abellio kann sich bewerben - mit Bedingungen
Doch auch durch eine neue Notvergabe könnte Abellio nicht vom Markt verschwinden. Denn auch Abellio könnte sich auf die neuen ausgeschriebenen Strecken neu bewerben. Das diese Verkehrsverträge besser sein werden, als die bestehenden, wird sicher kein Geheimnis sein. Voraussetzung ist allerdings, dass Abellio wichtige Daten wie z.B. über den Personalbedarf seiner bisherigen Linien auch an die Konkurrenz weitergebe, so dass verbindliche Wettbewerbsangebote möglich sind. Norbert Czerwinski (Grüne) ist Teil des VRR-Vergabeausschusses und bemängelt die Kooperationsbereitschaft von Abellio. “Bisher hat Abellio genau diese Daten zurückgehalten, so dass Wettbewerber keine Angebote korrekt kalkulieren konnten. Das hat schon was von einem Erpressungspotential.” Frank Heidenreich (CDU) ist ebenfalls Mitglied des Ausschusses. Er glaubt aber, dass diese Daten kommen werden. “Wir erwarten die Daten. Das ist ein wichtiges Kriterium für die Möglichkeit sich neu zu bewerben.”
Stimmung zwischen VRR und Abellio angespannt
Das zuletzt von Abellio abgegebene “Angebot” dürfte diese aufgeheizte Stimmung nur befeuern. Abellio hat zunächst das Angebot im Presseverteiler bekanntgegeben und erst vier Stunden später und zwei Stunden vor Mitternacht die Aufgabenträger darüber informiert.
Die Vertreter des Ausschusses jedoch wollen die Stimmung wieder auf “geraden Schienen” lenken. Daher wollen sie auf mögliche Entschädigungsansprüche gegen Abellio verzichten. So wäre der Anreiz wieder geschaffen, die gewünschten Daten und Information zu veröffentlichen. Denn der schlimmste Gegner der Bahn sitzt im Nacken: Zeit. Viel Zeit bleibt nämlich für mögliche Lösungen nicht mehr. Am 09.12.2021 soll die Notvergabe entschieden werden. Diese wird dann für maximal zwei Jahre vergeben und anschließend in ein reguläres Ausschreibungsverfahren für 15 Jahre festgelegt. An beiden Ausschreibungen kann sich Abellio bewerben. “Wir werden ein Angebot von Abellio zulassen, wenn dies rechtlich zulässig ist” betonte Heidenreich.
EU-Vorgabe könnte Planungssicherheit verhindern
Bisher hatte der Verkehrsverbund geplant, die Linien an andere Wettbewerber zu vergeben. So die S-Bahnen an die Deutsche Bahn und die RRX-Linien an National Express. Sollte Abellio jedoch ein vermeintlich besseres Angebot für die Notvergabe als die Wettbewerber gestalten, so könnte Abellio den Zuschlag bekommen. EU-Vorgabe. Sollte Abellio den Zuschlag für die Notvergabe bekommen, werden dann jedoch die Insolvenzverwalter Ansprechpartner des VRR sein, sagte der SPD-Mann Norbert Schilff, der ebenfalls im Gremium dabei ist.
Kostensteigerung für Abellio nicht absehbar
Um mögliche Mehrkosten für die Linien zu decken, hatte die NRW-Landesregierung bereits 380 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Abellio hatte im Rahmen der langfristigen Verträge weitermachen wollen, hierfür aber bessere Konditionen gefordert. Das Verkehrsunternehmen ist tief in den roten Zahlen, was vor allem an höheren Personalkosten und deutlich gestiegenen Baustellen-Folgekosten liegt, etwa für Schienen-Ersatzverkehr und Verspätungsstrafen. Für solche Folgekosten kann Abellio zwar nichts, weil die Baustellen nicht in ihrer Zuständigkeit liegen. Im Rückblick hat Abellio die ursprünglich sehr langfristig angelegten Verträge vor einigen Jahren aber zu knapp kalkuliert. Laut Firmenaussagen seien die “Kostensteigerungen nicht vorhersehbar gewesen”. Sie hätten “langjährige Gespräche geführt und um finanzielle Unterstützung” gebeten.
Verantwortung für ihr Dumpingangebot liegt bei Abellio
Schilff erklärt “Abellio war zwar bereit zur Übernahme von zukünftigen Folgekosten, nach Berechnung des VRR wären das aber nur 16 Prozent der Finanzlöcher gewesen – den Rest hätten die Aufgabenträger und damit letztlich der Steuerzahler stemmen müssen.” Ebenso betont er, dass viele Verkehrsunternehmen nach und nach in finanzielle Engpässe rutschen würden. “Die Verantwortung für ihr Dumpingangebot liege aber bei Abellio selbst.”
Mitarbeiter kämpfen um ihren Arbeitsplatz
Kurz vor der Sitzung am Montag haben sich rund 100 Mitarbeiter in einer Online-Petition ausgesprochen, kein Spielball der Unternehmen sein zu wollen. Sie fordern Klarheit und eine Entscheidung. Schließlich geht es hier um hunderte von Existenzen und letzten Endes auch um Arbeitsplätze. “Es geht um 1080 Arbeitsplätze. Wir hoffen, dass der VRR seine Entscheidung überdenkt und die Jobs erhalten bleiben”, sagte Abellio-Betriebsrat Tom Zielonka. Die Abellio-Mitarbeiter würden in jedem Fall auch künftig gebraucht, hatte das Land NRW betont.