Seit einer Woche fährt der RE 10 (Niers-Express) wieder auf dem Streckenabschnitt zwischen Krefeld und Kleve. Nachdem der Ausbau der Strecke für 70 Millionen Euro schnell vorangetrieben wurde und die Strecke freigegeben wurde, fehlt es dennoch an Kleinigkeiten, die das zuverlässige Bahnfahren ermöglicht. So ist die Strecke zwar für elektrische Züge ausgebaut, doch auch nach der sechsmonatigen Bauphase klappt noch nicht alles. So fehlt die Technik an einigen Bahnsteigen, wodurch der Straßenverkehr manuell geregelt werden muss, und die Züge entsprechend langsamer fahren müssen. Das führt zum altbekannten Problem: Verspätungen.
Der Start der frisch modernisierten Strecke von Krefeld nach Kleve gleicht bisher eher einem dramatischen Theaterstücks. Die Probleme häufen sich, und viele Pendler schütteln inzwischen nur noch den Kopf. Vor allem, weil es auch immer wieder Probleme an Bahnübergängen gibt, was wiederum zu massiven Verspätungen und verpassten Anschlüssen führt. Die Deutsche Bahn muss aufgrund fehlender Technik an einigen Bahnübergängen der Strecke sogenannte “Bahnübergangsposten” einsetzen, die entsprechend den Autoverkehr regeln, sowie Radfahrende und Fußgänger*innen vom überqueren des Bahnübergangs während der Zugdurchfahrt hindern. Dieser “manuelle” Prozess führt dazu, dass die Züge auf der Strecke langsamer fahren müssen. Ergo: den Fahrplan nicht einhalten können.
Wenn doch 70 Millionen Euro für eine Modernisierung in die Technik gesteckt wurden, verstehen viele nicht, warum es am Bahnübergang dann quasi einen Schritt zurückgeht und wieder auf “Handbetrieb” umgestellt wird. Dem Vernehmen nach gibt es gleich an drei Bahnübergängen zwischen Krefeld und Kempen solche Probleme.
Zwar gibt es beispielsweise am Übergang in Kempen ein Andreaskreuz und mehrere Ampelanlagen, doch denen scheint man nicht so ganz zu vertrauen. Damit dort überhaupt ein Zug rollen kann, sind die Mitarbeiter in Warnwesten im Einsatz. Den ganzen Tag, über viele Stunden. Ein System, das sehr anfällig ist. Denn wenn einer der Posten ausfällt, ist der Bahnübergang unbewacht. Das ist anscheinend in der vergangenen Woche auch immer mal wieder passiert. Kein Wunder in einer Zeit, in der viele erkältet sind oder wegen Corona kurzfristig ausfallen.
Ist der Übergang allerdings mal nicht besetzt, führt das zu weiteren erheblichen Verspätungen. Denn der Lokführer muss dann vor dem Übergang anhalten, sich vergewissern, dass niemand den Bahnübergang überquert, und kann dann langsam weiterfahren. Das kostet viel Zeit und ist sicher auch nicht die sicherste Variante.
Es sieht aktuell nicht danach aus, als wenn sich an der Situation schnell etwas ändern wird. Dieser Einsatz der Mitarbeiter wird auch nicht ganz günstig sein, denn schließlich müssen die Mitarbeitenden dort auch Entlohnt werden – mindestens mit 12 Euro die Stunde. Bei so vielen Stunden am Tag fällt da eine Menge an. Hinzu kommt, dass die Arbeit an den Übergängen in den kalten Wintermonaten sicher kein Vergnügen ist. Die Posten für die Bahnübergänge können sich zwar in ihren PKWs aufwärmen, doch dazu muss der Motor die ganze Zeit laufen. Und ob das sinnvoll ist, wenn die Strecke aufgrund des Umweltgedankens elektrifiziert wurde, ist sehr fraglich.
Betroffene und auch wir haben uns gefragt, was genau die Ursache ist, dass dort die Wärter den Straßenverkehr regeln müssen. Eine Antwort blieb die Deutsche Bahn bis Redaktionsschluss leider aus. Lediglich die Aussage, dass “die benötigte Technik für die Sicherung der Bahnübergänge” fehlt und man damit frühestens in den kommenden vier Wochen rechne.
Da die Strecke als sogenannte “Neubaustrecke” gilt, müssen die Bahnen dort laut den Vorgaben der Deutschen Bahn sowieso langsamer fahren, als üblich. Das verzögert die Fahrt zwischen Kleve und Krefeld demzufolge noch mal.
Die Deutsche Bahn spricht bei der eröffnung der Strecke von “Rekordzeit” und “Erfolg”. Doch von einem Erfolg kann man hier wahrlich nicht sprechen. Das sehen auch die kommunalen Verantwortlichen so und fordern nun einen runden Tisch mit allen Beteiligten. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff, die Landtagsabgeordneten Günther Bergmann und Stephan Wolters (alle CDU) sowie der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Klever Kreistag Paul Düllings zeigen sich angesichts wiederkehrender Zugverspätungen und -ausfälle auf der gerade sanierten RE10-Bahnstrecke verärgert und fordern unverzüglich Abhilfe.
Der Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff kündigte an, die Vertreter der Deutschen Bahn, der RheinRuhrBahn (ehemals Nordwestbahn), des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr und des Landesverkehrsministeriums NRW sowie die Bundestags-, Landtagsabgeordneten und kommunalen Vertreter der Kreise Kleve, Viersen sowie der Stadt Krefeld zu einem runden Tisch nach Düsseldorf einzuladen: “Wir wollen von den Bahnbeteiligten eine Erklärung dafür, warum es weiterhin zu erheblichen Problemen im Zugverkehr zwischen Kleve und Krefeld kommt. Und wir wollen wissen, wie und in welchem Zeitraum die Betriebsstörungen, Zugverspätungen und -ausfälle beseitigt werden sollen.”
Auch die aktuelle Situation wird beim VRR natürlich genau verfolgt. “Dass es jetzt beim Streckenstart ruckelt, ist nicht schön, aber solche Dinge müssen sich auch erst noch einspielen”, sagt Dino Niemann vom VRR. Noch sei man guter Hoffnung und gehe davon aus, dass die Bahn die Probleme in nächster Zeit in den Griff bekommt. “Wir sind in dieser Sache mit der Deutschen Bahn bereits im engen Austausch”.
Bei Problemen an der Strecke, also der Infrastruktur wie Stellwerken oder Bahnübergängen, habe man als Verkehrsverbund keine direkte Handhabe. Da müsse man sich auf die Verantwortlichen bei der “DB Netz” verlassen. “Im Grunde sind wir alle froh, dass in die Strecke investiert wurde und die Arbeiten jetzt abgeschlossen sind”, ergänzt der Pressevertreter des VRR. Der VRR habe ein großes Interesse daran, dass sich die Situation verbessert, und hatte daher auch 2,4 Millionen Euro für die Vorplanung zur Verfügung gestellt, damit das Projekt zügig in Angriff genommen werden konnte.