Trotz des viel verkauften 9-Euro-Tickets kann sich der Nahverkehr in NRW nicht auf Lorbeerblättern ausruhen. Die gestiegenen Kosten, die fehlenden Einnahmen durch die Pandemie und dem 9-Euro-Ticket machen den Verkehrsverbünden große Sorgen. Schätzungen von Experten zur Folge fehlen rund 190 Millionen Euro in NRW dieses Jahr – für das kommende Jahr könnte sich die Summe mehr als verdoppeln.
Für den Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen ist normalerweise das Verkehrsministerium NRW zuständig. Doch diese Aufgabe wurde an die Verkehrsverbünde übertragen. So müssen sich der AVV (Aachener Verkehrsverbund), der VRR (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr), der VRS (Verkehrsverbund Rhein-Sieg) und der Westfalentarif (WTG) um diese Aufgaben kümmern und Finanzierungen planen und gestalten.
Beim Blick auf die Jahresbilanz des Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), welcher mittlerweile Teil des Westfalentarifs ist, klingen nun die Alarmglocken. „Wir sind strukturell unterfinanziert“, sagt der NWL-Sprecher Uli Beele. Beele befürchtet auch, dass es ab dem kommenden Jahr durch Einschränkungen oder gar Verdünnung des Angebots kommen kann, „wenn keine klare Finanzierung geregelt“ sei. Gründe dafür sind vielfältig aber dennoch schon allen Bekannt: seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Fahrgastzahlen und somit auch die Einnahmen weggebrochen. Aber auch seit dem Ukraine-Krieg sind die Kosten für Strom drastisch gestiegen. „Wir zahlen nun rund 70% mehr an Stromkosten und für die Diselfahrzeuge kommen rund 50% mehr Kosten auf uns zu“, so Beele, der sich auf die Kosten vor der Pandemie beruft.
12. August 2022
Mehr Geld für ÖPNV: Forderung von Kommunen, Verbünde und Verkehrsunternehmen
Der öffentliche Verkehr leidet nach wie vor unter der Pandemie. Die mit Corona einhergehenden Beschränkungen haben den Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs in den vergangenen Jahren finanziell zugesetzt. Hinzu kommt die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der weltpolitischen Ereignisse. Die aktuelle Situation haben der VRS, der VRR, der AVV und der WestfalenTarif zum Anlass genommen, auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen und einen Appell an Bund und Land gerichtet, mehr finanzielle Mittel für den Erhalt und den Ausbau des Verkehrsangebotes zu investieren.
Ein weiterer Baustein, der zur aktuellen Unterfinanzierung führt, sind Infrastruktur-Projekte, wie unter anderem das „S-Bahn Münsterland“ Projekt. Damit soll zukünftig das Angebot auf der Schiene im Münsterland attraktiver gestaltet werden, doch sollten sich an den bisherigen Finanzierungen nichts ändern, rechnet man beim NWL bis 2032 mit einer Deckungslücke von bis zu 900 Millionen Euro. Damit dies jedoch nicht passiert, müsse man spätestens im kommenden Sommer über eine Ausdünnung des Angebots nachdenken, so der Sprecher.
Beim VRR möchte man unterdies keine Prognosen für die Zukunft abgeben und behält sich bei dem Thema der Angebotsausdünnung zurück. Waren das in den letzten Jahren so oft schon das Thema aufgrund misswirtschaftlichen Ausschreibungen und Insolvenzen. Dennoch sieht man auch beim VRR die Sorgen der Nachbarn im NWL und teilt diese, so der Sprecher Dino Niemann. Die Kosten am Rhein und an der Ruhr haben sich, laut Niemann jedoch drastischer erhöht. So zahlt man für Strom im VRR bis zu 163% mehr als zuvor.
Bereits im September hat der VRR auf diese Missstände in einer Resolution an Bund und dem Land NRW gewandt. Darin sagt der Verbund, dass mit den augenblicklichen Mitteln der Bus- und Bahnverkehr nicht mehr zu gewährleisten sei. „Der öffentliche Verkehr hilft deutlich dabei die Klimaziele zu erreichen, daher muss das notwendige Geld auch bereitgestellt werden“, heißt es darin.
Die fehlenden Millionenbeträge sollen laut VRR aus Berlin und damit vom Bund kommen. Bundesweit bekommen die Bundesländer jährlich rund 9 Milliarden Euro, um den Regionalverkehr zu finanzieren. Diese Summe sei „schon lange nicht mehr ausreichend“, um die gestiegenen Kosten zu decken, geschweige denn Sanierungen zu bezahlen. Auch seien neue Angebote damit absolut nicht gedeckelt. Daher fordert der größte Verkehrsverbund, der VRR, vom Bund nun eine Aufstockung von 1,5 Milliarden Euro jährlich. Zudem benötigt man 1,65 Milliarden Euro für die gestiegenen Energiekosten und rund 1 Milliarde Euro für die Corona-Folgen. Das Land NRW, unter Federführung des ehemaligen Verkehrsministers und jetzigem Landeschef, Hendrik Wüst (CDU) unterstützt die Verbünde bei der Forderung.
10. September 2022
Hendrik Wüst fordert 3 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für ÖPNV
Der Ministerpräsident Hendrik Wüst, der zugleich der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz ist, fordert vom Bund einen milliardenschweren Nachschlag bei den Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Nahverkehr. “Die Länder benötigen in der aktuellen Situation über drei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich für einen leistungsfähigen ÖPNV”, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
Bisher hat der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zwar sein Verständnis gezeigt, doch Lösungsvorschläge oder gar Geld ist bisher von ihm nicht gekommen. Wenn es so bleibt, bleiben in Westfalen zwei Alternativen, erklärt der Sprecher Beele: Die Städte und Kreise, die den Verband tragen, könnten die Mehrkosten über eine eigene Umlage aufbringen – was ehr unwahrscheinlich ist. So bleibt es nur noch bei der Möglichkeit, das Angebot zu verringern, zum Beispiel den Takt auf einzelnen Strecken zu verdünnen oder auf Nebenstrecken vollumfänglich einzustellen. Diese Entscheidung „ist noch nicht gefallen“ und müssen auch juristisch geklärt werden, da „der ÖPNV einer der wichtigsten Bausteine der Daseinsversorgung darstellt“, so Beele.
Der NWL stellt klar,
- dass das Ziel der Verdoppelung der Fahrgastzahlen und die Erhöhung des Angebots um mindestens 60 % nur mit einer nachhaltigen und auskömmlichen Finanzierung seitens des Bundes und des Landes erreicht werden können.
- dass zur Umsetzung eines Klimatickets als Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele die Finanzierung der Bestandsverkehre sowie der zusätzliche Ausbau der Verkehrsleistungen im ÖPNV durch Bund und Land sichergestellt sein muss.
Daher fordert der NWL,
- dass die Bundesregierung und die Landesregierung ihren finanziellen Beitrag zur Sicherung der Bestandsverkehre leisten.
- dass sich die Bundesregierung zu ihren ehrgeizigen Klimaschutzzielen, dem damit verbundenen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und der in diesem Zusammenhang zwingend erforderlichen auskömmlichen und nachhaltigen Finanzierung bekennt.
- dass die Bundesregierung den Ausführungen der Verkehrsministerkonferenz folgt und
- für das Jahr 2022 die Regionalisierungsmittel zusätzlich um 1,5 Mrd. € bundesweit erhöht,
- für die Jahre 2022 und 2023 jeweils zusätzlich 1,65 Mrd. € gegenüber dem Vorjahr bundesweit für die Bewältigung der Energie-Krise bereitstellt sowie
- zur Fortführung des Corona-Rettungsschirms im Jahr 2023 1 Mrd. € bundesweit zur Verfügung stellt.
- dass sich die Bundes- und Landesregierung zusätzlich zum SPNV auch mit einem nachhaltigen Beitrag an der Finanzierung des ÖSPV beteiligten.