Das Deutschlandticket hat die Mobilität vieler Menschen revolutioniert, doch bei Arbeitnehmern bleibt die Nachfrage gering. Der VRR schlägt vor, das Ticket als festen Bestandteil von Tarifverträgen einzuführen, um den Nahverkehr zu stärken und Einnahmen zu sichern. Doch die Idee polarisiert – zwischen Potenzial und politischen sowie gewerkschaftlichen Hürden.
Deutschlandticket als Schlüssel für bessere Finanzierung
Der öffentliche Nahverkehr in Deutschland steht vor finanziellen Herausforderungen, die besonders den Ausbau neuer Zug- und Busangebote betreffen. Oliver Wittke, Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), schlägt ein ungewöhnliches Modell vor, um Einnahmen zu sichern und gleichzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker in den Nahverkehr einzubinden: das Deutschlandticket als festen Bestandteil von Tarifverträgen. Seine Idee, die er beim Mobilitätsforum Rheinland der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf präsentierte, stieß auf gemischte Reaktionen.
Das Deutschlandticket: Ein Erfolg mit Lücken
Das Deutschlandticket hat sich für viele Zielgruppen als erfolgreich erwiesen. Nach Angaben von Wittke werden 70 Prozent der Einnahmen des VRR mittlerweile über dieses Ticket generiert. Besonders Studierende und Schüler nutzen es rege – 90 Prozent der Studierenden und 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse besitzen ein Deutschlandticket. Anders sieht es jedoch bei Arbeitnehmern aus. Von den rund drei Millionen Beschäftigten im VRR-Gebiet nutzen lediglich 140.000 ein solches Ticket als Jobticket.
Wittke sieht in diesem Segment großes Potenzial: „Gerade auf dem Land brauchen wir mehr Angebote. Das Geld dafür könnten wir über verbindliche Jobtickets gewinnen.“ Die Einnahmen aus zusätzlichen Deutschlandtickets, die über Tarifverträge geregelt werden, könnten direkt in den Ausbau des Nahverkehrsangebots fließen, etwa in Form von Schnellbuslinien wie den neuen X-Bussen.
17. Juli 2024
Haushaltsentwurf: Luxusautos statt ÖPNV
Ein Bündnis aus Verbänden, darunter Greenpeace, der Autoclub Europa (ACE), Umweltverbände und Forschungsinstitute, übt scharfe Kritik an den Plänen für den Haushalt 2025. Sie bemängeln vor allem die mangelnden Maßnahmen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, insbesondere im FDP-Geführten Verkehrsministerium. Im Fokus der Kritik stehen die Pläne zur Dienstwagenbesteuerung und das Deutschlandticket.
Jobticket in Tarifverträgen: Ein Modell mit Vorbildern
Ein verbindliches Jobticket für alle Arbeitnehmer ist Wittkes Ziel. Dabei verweist er auf Beispiele wie die Stadtverwaltung Bochum, die allen Auszubildenden ein Deutschlandticket spendiert – ohne Tarifbindung. Solche Ansätze könnten laut Wittke Arbeitgeber attraktiver machen, besonders im Vergleich zu Städten, die dieses Angebot nicht haben. Der große Vorteil: Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten gemeinsam zur Finanzierung eines leistungsfähigen Nahverkehrs beitragen.
Allerdings gibt es auch Hürden. Beamte, die keine zusätzlichen Leistungen neben ihrem Gehalt erhalten dürfen, und die Zurückhaltung der Gewerkschaften bremsen den Vorstoß. „Gewerkschaften tun sich schwer, Lohnbestandteile zu akzeptieren, für die keine Sozialabgaben anfallen“, so Wittke.
Kontroverse Diskussionen und politische Forderungen
Der Vorschlag sorgt für Diskussionen. Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, betont die Bedeutung der Freiwilligkeit: „Niemand sollte verpflichtet werden, ein Deutschlandticket zu nutzen.“ Gleichzeitig fordert sie die Landesregierung auf, ihren Beschäftigten ein kostengünstiges Jobticket zur Verfügung zu stellen – unabhängig von Tarifverträgen. Weber sieht das Deutschlandticket als wertvolle Unterstützung für Pendler, warnt jedoch vor einer Einmischung in die Tarifautonomie: „Ob Regelungen sinnvoll sind, entscheiden ausschließlich die Tarifparteien.“
Langfristige Sicherung als Schlüssel
Ein weiterer Knackpunkt ist die langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets. Wittke kritisiert, dass die politische Unsicherheit Unternehmen davon abhält, das Ticket fest in ihre Angebote zu integrieren. „Kein Großunternehmen führt ein solches Jobticket ein, wenn nicht sicher ist, dass es in den nächsten Jahren Bestand hat.“ Auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl warnt er: „Ohne Deutschlandticket gibt es keine Verkehrswende.“
Fazit: Ein Schritt zur Verkehrswende?
Das Deutschlandticket könnte eine wichtige Rolle bei der Finanzierung und Attraktivität des Nahverkehrs spielen, aber nur, wenn es politisch und finanziell abgesichert ist. Die Einbindung in Tarifverträge ist eine innovative Idee, die auf Zustimmung und Widerstand gleichermaßen stößt. Für die Zukunft des Nahverkehrs bleibt entscheidend, dass Investitionen in Angebot und Infrastruktur nachhaltig gesichert werden – denn ohne sie bleibt die Verkehrswende eine Herausforderung.